taz NRW Nr. 7571, 22.1.2005

ERIKA RUBINSTEIN

"Jetzt kann es nur noch besser werden"

Vom Traktor zum Tanz: Olga Pona gastiert zum zweiten Mal im Tanzhaus NRW. Die taz sprach mit der russischen Choreographin über Düsseldorf, die russische Provinz und über die Schwierigkeit, als Tänzerin zu überleben

Mit 16 Jahren kam Olga Pona nach Tscheljabinsk hinter dem Ural, um Traktorentechnologie zu studieren. Zwar machte die heute 45-Jährige als sowjetische Vorzeige-Traktoristin keine gute Figur, dafür aber absolvierte sie nebenbei ein Tanzstudium und eröffnete 1992 das Tscheljabinsker Theater für zeitgenössischen Tanz, das seit Jahren Erfolge in Russland und im Ausland feiert. Zum zweiten Mal gastiert die Choreographin am Wochenende in Düsseldorf. Im Tanzhaus NRW haben zwei neue Stücke von ihr Premiere.

taz: Haben Sie eine besondere Beziehung zu Düsseldorf?

Olga Pona: Ich weiß nicht, wie es geschah, aber es geschah. Die Beziehung ist wirklich etwas besonderes. Ich traf Bertram Müller vom Tanzhaus NRW das erste Mal vor sechs Jahren in Wolgograd bei der russischen Modern Dance Platform.

Ist an Ihren Choreographien etwas spezifisch russisch?

Meine Stücke sind schon russisch. Das heißt nicht, dass man sie im Westen nicht genießen könnte. Wir sprechen nicht, wir singen nicht. Bewegungen sind international verständlich.

Gibt es in Russland auch eine Modern-Dance-Tradition?

Nein, gar nicht. Wir lebten schließlich 70 Jahre hinter dem eisernen Vorhang. Wir waren isoliert. Erst vor gut zehn Jahren hat man mit dem modernen Tanz angefangen. Jetzt wächst das Interesse enorm.

Also können sie dort nur in kleinen Häusern auftreten?

Wir haben gar keine kleinen Theater. Nichts unter 500 Plätzen. Und während des Theater-, Musik- und Tanzfestivals "Goldene Maske" treten Modern Dance Gruppen sogar im Moskauer Bolschoi Theater auf.

Sie haben einmal gesagt, dass in Russland neue Trends in der Provinz entstehen. Eine Parallele zu Pina Bausch, die ja in Wuppertal arbeitet?

In Russland ist die Provinz eine richtige kulturelle Einöde. In Tscheljabinsk mit seinen 1,5 Millionen Einwohnern gibt es weder Museen noch Ausstellungshallen. Und da es kein Angebot gibt, kann Neues immer auf Interesse stoßen. In Westeuropa gibt es aber nicht die gleiche Provinz wie in Russland. Wuppertal kann man mit uns gar nicht vergleichen.

Und wie überlebt man dann?

Wir überleben irgendwie. Mit Nebenjobs, mit Unterrichten, mit Auslandsaufträgen. Der Tiefpunkt ist meines Erachtens aber erreicht. Jetzt kann es nur noch besser werden. Das Wichtigste ist, dass wir unsere Köpfen befreit haben. Früher hatte man immer Angst, künstlerisch unkonventionelle Dinge zu machen. Ich kann mich glücklich schätzen. Die Stadt unterstützt uns. Zwar nur mit 40 Euro im Monat, aber immerhin. Das hilft. Andere haben nicht einmal das.

Also doch lieber im Westen leben und arbeiten?

Nein. Ich habe ein glückliches Leben, immer viel zu tun. Mir ist wichtig, unter Russen zu leben, mit ihnen zu arbeiten. Es ist aber auch sehr entspannend, ein paar Wochen in Düsseldorf zu leben.

Und was zeigen Sie?

Mein Stück heißt "Nostalgie". Auf der Bühne stehen sechs Rohre, die Birken imitieren, ein kleiner Wald. Die Darsteller auf der Bühne tanzen, leben und haben zu tun mit dem Wald. Das ganze Leben ist ein Wald, durch den wir gehen. Dort begegnet einem Böses oder Schönes. Das zweite Stück "Does the English Queen know what real life is about?" ist anders, dunkler und enger.